Unverhofft kommt oft. Aber das muss nicht immer überragend sein. Und so unverhofft meine Freikarten für das
Paul-Carrack-Konzert in der
Kulturkirche (in Köln-Nippes, also bei mir um die Ecke) waren, so durchschnittlich war dann doch die Performance, auch wenn sie in einem besonders schickem Ambiente stattfand. Die Kulturkirche ist nämlich tatsächlich in erster Linie eine ganz normale (evangelische) Kirche, genauer gesagt die "Lutherkirche", in der seit einigen Jahren auch kleine und mittlere Künstler auftreten, Acts wie Emiliana Torrini, Helen Schneider, John Watts (die Stimme von Fischer-Z) oder eben Paul Carrack. Paul Carrack? Paul Carrack? "I know that name" war der Untertitel der Tour und in der Tat kommt den meisten der Name bekannt vor - bekannter ist allerdings noch die Stimme von Band wie Squeeze und vor allem Mike & The Mechanics. Seine Solo-Hits ("Don't Shed A Tear", "How Long") kennt man aus dem Radio. Keine Frage, dass Paul Carrack über eine außergewöhnlich schöne Stimme verfügt und hervorragend mit ihr umzugehen weiß, aber...
...aber jetzt beginnen die Abstriche:
Wenn man sich schon in Soul-Fahrgewässern bewegt, dann muss man auch bitte bitte bitte etwas Seele in seine Performance legen. Den Großteil des Konzerts hatte ich den Eindruck, dass Carrack mit angezogener Handbremse singt, so als ob er seine Stimme schonen wollte oder so, als ob er einfach nur sehr professionell und routiniert ein Programm runterspult, dass er schon zigmal genauso gebracht hat und mit dem er nichts verbindet.
Wenn man schon Soul und Pop verbindet, warum muss man das denn so krampfig "weiß" machen? Der Mittelteil des Konzerts mit den unbekannteren Songs klang verdächtig nah am späten Joe Cocker (ürgs!) oder gar an Paul Young (ürgselmürgsel). Plüschige Kuschelmusik für middle-aged Normalos, die es sich auf dem Sofa gemütlich machen wollen. Das ist musikalisch so attraktiv wie eine B-Seite eines One-Hit-Wonders aus den 80ern.
Wenn man schon auf anspruchsvolle Texte verzichtet, die wohl für die meisten Soul/Pop-Künstler offensichtlich nicht so entscheidend sind (und was für eine wohltuende Ausnahme da Marvin Gaye war, der sowohl die Musik, als auch das Texten bis heute in diesem Genre unerreichbar dominiert), dann sollte man zumindest auf die trivialsten Reime und auf ständige Wiederholungen verzichten. Die meisten Carrack-Texte, die sich dann auch noch durch endlose Wiederholungen der Refrains ins Hirn hämmern, sind schlichtweg total blödsinnig getextet. Wenn man auf Deutsch solche Texte sänge, wäre man viel näher am Schlager, als an der Popmusik.
Wenn man sich schon als Sänger und Solo-Künstler vom übermächtigen Schatten seiner Stammband (Mike & Mechanics) emanzipieren will, dann muss die Begleit-Band unauffällig, aber effektiv sein. Unauffällig war die Band nur auf unfreiwillige Weise, effektiv war sie - mit Ausnahme des Bassisten vielleicht - auf keinen Fall, im Falle der Drums sogar negativ auffallend, da der Drummer einer der untightesten, uncoolsten und unsaubersten Drummer war, den ich seit langem gehört habe. So ein unsensibles Gehacke auf dem Blech hört man heutzutage selten. Das soll ein Profi-Musiker gewesen sein?
Ürgselmürgsel! Der Rest der versammelten Musiker wirkte noch gelangweilter als Carrack selbst - ein wenig freundliches Publikum hätte das auch sicher nicht so nett übersehen, wie die erstaunlich alte Belegschaft in der Kulturkirche. Ehrlich gesagt war ich da mit meinen frühen Vierzigern eher einer der jüngeren Zuschauer
Schleimiger Tiefpunkt war "I Don't Want To Hear Anymore", eine Ballade, die er mit den Eagles schrieb, die Höhepunkte waren eindeutig im zweiten Teil des Konzerts, gegen Ende, als er endlich ein wenigstens ein wenig aus sich herausging und die Stimme arbeiten ließ und nicht die hohen Töne scheute: "Silent Running", "The Living Years" und "What's going on", ein Marvin-Gaye-Cover.
Marvin Gaye war es dann auch, den ich durch das Konzert wiederentdeckt habe und nicht Carrack. Da ist einfach nur um den Unterschied zu hören, zwischen einer guten Stimme und einem großartigen Künstler. Denn eines wurde mir bei dem Konzert klar: Carrack fehlt bei aller Professionalität (davon hat er ehrlich gesagt zu viel) etwas Charismatisches, Persönliches, etwas, das man ihm als "Echt" abnehmen würde. Vielleicht ist das der Grund, warum er, trotz seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten als Sänger, niemals ein ganz Großer geworden ist.
Ähnlich sah es Petra, und sie beschreibt es in knappen, prägnanten Worten.
Voilà →
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